Rems-Murr schockt weiter: Mit dem Roten Kreuz gemeinsam gegen den Herzinfarkt
Im Rems-Murr-Kreis lebt es sich sicherer. Das ist das große Verdienst des Kardiovereins, der mit wichtigen Partnern im gemeinsamen Kampf gegen den Herzinfarkt viel bewegt hat. Nach fast 100 Aufklärungsveranstaltungen konnten die Menschen nachweislich für das Thema sensibilisiert und die Überlebenschancen von Betroffenen erhöht werden. Ein großartiger und einzigartiger Erfolg. Nun löst sich der Kardioverein auf. Aber Rems-Murr schockt weiter, denn das Rote Kreuz übernimmt. Die DRK-Ortsvereine bieten nun Termine an.
Wer vor Ort eine kostenfreie Veranstaltung mit dem DRK anbieten will, findet auf www.drk-rems-murr.de/herzinfarkt Informationen. Gerne auch eine E-Mail an rotkreuzdienste(at)drk-rems-murr.de schicken oder anrufen: 07151 2002-77. Auch die alte E-Mail-Adresse info(at)kardioverein.de bleibt noch aktiv.
Es fehlte an Aufklärung
Es war 2014, erinnert sich Dr. Thomas Eul. Während eines Nachtdienstes in Winnenden traf ein Patient mit schwerem Herzinfarkt ein. Er klagte bereits einige Zeit über starke Schmerzen im Brustkorb, hatte Atembeschwerden. Aber erst nach zehn Stunden wurde er aktiv. Er setzte sich ans Steuer und fuhr tief in der Nacht unter Schmerzen in die Klinik, berichtet Thomas Eul. Das war der Auslöser, sagt der Kardiologie. Er und der Chefarzt der Kardiologie der Rems-Murr-Kliniken Andres Jeron rätselten am nächsten Morgen müde bei einem Kaffee: Woran liegt es, dass Menschen trotz typischer und starker Beschwerden keinen Herzinfarkt erkennen? Vielleicht fehlt es an Aufklärung. Der Grundstein für den Kardioverein war gelegt. Die Idee: Bei Veranstaltungen im ganzen Landkreis klären Kardiologen auf und das DRK sorgt für die Praxis.
Thomas Eul telefonierte viel. Schnell stand fest: Die AOK ist am Start. Es folgten die Rems-Murr-Kliniken, DRK, Landkreis und weitere Partner. So war es 20 Kardiologen 2016 möglich, den Verein „Gemeinsam gegen den Herzinfarkt e.V.“ zu gründen. Sie klärten über den Herzinfarkt auf und sensibilisierten die Menschen. Die Ausbilder der DRK-Ortsvereine zeigten allen Teilnehmern, wie einfach Erste Hilfe ist, wenn man sich ohne Angst traut, einzugreifen. Es begann ein einmaliges regionales Bündnis, das über den Landkreis hinausstrahlte. Veranstaltungen wie „Urbach schockt“ waren Meilensteine auf dem Weg, viele Menschen zu erreichen und Nachahmer zu finden. Vielerorts wurde geschockt. Mit Erfolg: Das Projekt, wissenschaftlich begleitet, übertraf die Erwartungen.
Knapp 100 Veranstaltungen mehr als 5000 Menschen
„Im Rems-Murr-Kreis geben die Menschen bei Herzinfarkt-Symptomen schneller einen Notruf ab, reanimieren zügiger Betroffene und setzen häufiger den lebensrettenden Defibrillator ein als im deutschlandweiten Vergleich“, listet Andreas Jeron auf. Die Kardiologen erreichten bei knapp 100 Veranstaltungen mehr als 5000 Menschen. „Stets hat ein Kardiologe einen Vortrag gehalten. Danach wurde die Wiederbelebung an Puppen geübt und die Durchführung der Defibrillation an entsprechenden Übungsgeräten geschult. Somit ging es um Prävention, Symptome und konkrete Erste Hilfe. Ein perfekter Mix – selbstverständlich völlig unentgeltlich“, erläutert Thomas Eul.
Das Projekt war auf rund vier Jahre angelegt. Dann kam die Corona-Pandemie. Erst 2023 konnte die Abschlussveranstaltung in Fellbach stattfinden. „Rems-Murr schockt“ war sowohl Motto als auch Bilanz des Kardiovereins. Doch die Sache hatte einen Haken. Das zeitweilige Veranstaltungs-Aus führte dazu, dass unter anderem die Quote der Laienreanimationen zurückging. Die Erkenntnis: Aufklärung über gesundheitsgefährdende Themen muss kontinuierlich stattfinden. Das konnten die Kardiologen nicht mehr leisten. Das DRK übernimmt.
Den Erfolg auch in der Zukunft garantieren
„Wenn wir weiterhin aktiv sind, können wir die Erfolge im Kampf gegen den Herzinfarkt auch in der Zukunft garantieren“, sagt DRK-Kreisgeschäftsführer Sven Knödler bei einem gemeinsamen Pressetermin in Waiblingen. Und so führt das DRK das Projekt fort. „Unsere 26 Ortsvereine können mit ihren ehrenamtlichen Ausbildern eine flächendeckende praxisnahe Aufklärungsarbeit sicherstellen. Das ist uns allen eine Herzensangelegenheit.“
Das DRK weiß: Jeder Mensch kann Leben retten. Diese Erkenntnis, verbunden mit Aufklärung und Prävention, haben alle Partner im gemeinsamen Kampf gegen den Herzinfarkt erfolgreich verbreitet. „Wir haben gezeigt, dass niemand Angst vor Wiederbelebungsmaßnahmen haben muss und dass jede und jeder bei einem Herz-Kreislaufstillstand einen Defibrillator einsetzen kann“, sagt Sven Knödler. Dank zahlreicher Defi-Spenden konnte das DRK fast alle „Helfer vor Ort“, ausgebildete ehrenamtliche Kräfte, die im Notfall zu ausgewählten Einsätzen parallel zum Rettungsdienst ausrücken, mit Defibrillatoren ausstatten. Ein Defibrillator ist ein Gerät, das über Elektroden, die auf den Körper geklebt werden, Stromstöße abgibt, um den gestörten Herzrhythmus zu normalisieren. Es kann Leben retten. Thomas Brucklacher, Mitarbeiter der Integrierten Leitstelle, programmierte das Defi-Netz, eine Karte, in der die Geräte digital erfasst und der Integrierten Leitstelle zur Verfügung gestellt werden. Im Notfall können Menschen gezielt zu einem Defi geführt werden.
Durch Vorträge und praktische Übungen ist unser Landkreis sicherer geworden
Das alles sind Erfolge, die durch die Initiative des Kardiovereins erzielt werden konnten. „Der Rems-Murr-Kreis schockt weiter“, freut sich auch Landrat Dr. Richard Sigel. „Es wäre schade, wenn ein mit so viel Engagement, Herzblut und auch Erfolg aufgebautes Projekt enden würde. Der Kardioverein hat es geschafft, dass die Gefahren eines Herzinfarktes über mehrere Jahre im gesamten Landkreis beleuchtet wurden. Durch Vorträge und praktische Übungen ist unser Landkreis sicherer geworden“, sagt der Präsident des DRK-Kreisverbandes und einer der beiden Schirmherren des Projekts.
An dem bewährten Konzept hält das DRK fest. Erfahrene Einsatzkräfte, Ausbilder und Bereitschaftsärzte werden in Zukunft kurz und knapp über den Herzinfarkt informieren, um auch in Zukunft möglichst viele Menschen dezentral über Symptome, Gefahren und Prävention aufzuklären und dann die Praxis zu starten, teilt das DRK mit. Bereits im Mai und Juni finden Veranstaltungen statt.
Der Wunsch: Jeder Mensch soll reanimieren können!
Thomas Eul wirbt dafür, dass das DRK die gleiche Unterstützung erfährt, wie der Kardioverein sie erhielt. Auch hier geht die AOK voran: „Die AOK Ludwigsburg-Rems-Murr hat es sich auf die Fahnen geschrieben, in Sachen Gesundheit bei Prävention und Behandlung voranzugehen und Verantwortung für die Region zu übernehmen. Das Projekt „Gemeinsam gegen den Herzinfarkt“ ist aus all dem eine perfekte Kombination, weswegen wir es seit Beginn und auch weiterhin sehr gerne tatkräftig unterstützen“, kündigt AOK-Geschäftsführer Alexander Schmid an.
Thomas Eul würdigt abschließend die überragende Arbeit der Helfer vor Ort, der Lebensretter aus der Nachbarschaft. Diese sorgen für einen riesigen Zeitgewinn. Je eher mit der Behandlung eines Herzinfarktes begonnen wird, desto größer ist die Chance, dass ein Patient überlebt und das bestenfalls ohne Folgeschäden. Außerdem seien Präventionsmaßnahmen, ein gesunder Lebensstil und die Wiederbelebungsmaßnahmen durch Laien - neben der hervorragenden Arbeit von Rettungsdienst und Kardiologen – wichtig. „Jeder Mensch soll reanimieren können“, ist der Wunsch von Kardioverein und DRK, damit alle Betroffenen nach einem Herzinfarkt bestenfalls in ihr gewohntes Leben zurückkehren können.
Foto: Lukas Hinderer
Informationen:
Wer vor Ort eine Veranstaltung mit dem DRK anbieten will, findet auf www.drk-rems-murr.de/herzinfarkt Informationen. Gerne auch eine E-Mail an rotkreuzdienste(at)drk-rems-murr.de schicken oder anrufen: 07151 2002-77. Auch die alte E-Mail-Adresse info(at)kardioverein.de bleibt noch aktiv.
Was sind die Symptome eines Infarkts?
Die typischen Beschwerden sind Schmerzen im Brustkorb, Atemnot, Schweißausbruch, Angst. Schmerzen strahlen häufiger in Arme, den Hals die Zähne oder den Oberbauch aus. Aber auch ein Brennen im Brustkorb, eine Enge „wie ein Schraubstock“ in der Brust oder das Gefühl, „dass jemand auf dem Brustkorb sitzt“ werden häufig geschildert. Wichtig: Es müssen nicht alle diese Beschwerden gleichzeitig auftreten!
Wie reagiert man richtig?
Man darf auf keinen Fall lange warten, schon gar nicht zehn Stunden zögern! Halten genannte Beschwerden länger als fünf bis zehn Minuten an, sollte sofort der Rettungsdienst alarmiert werden. Keinesfalls selbst in die Klinik fahren! Je schneller reagiert wird, desto besser sind die Heilungschancen.
Was sind Helfer vor Ort und wie wird man Helfer vor Ort?
Denn im Notfall zählt jede Minute. Wer einen Herz-Kreislaufstilland erleidet, benötigt unmittelbar Hilfe. Das DRK bietet seit vielen Jahren die Dienste der „Helfer vor Ort“ an. Über Meldeempfänger und eine App, die erkennt, welche registrierten Einsatzkräfte sich in der Nähe einer Notfallstelle aufhalten, wird so lange alarmiert, bis genügend Helfer ausrücken. Ralph Maier ist für die Helfer vor Ort-Ausbildung beim DRK mit verantwortlich. „Durch unsere Helfer vor Ort wird das behandlungsfreie Intervall durch fachlich fundierte Hilfe gefüllt“, erläutert er. „Sie haben mindestens die Sanitäter-Grundausbildung erfolgreich abgeschlossen. Außerdem müssen sie danach zwei Jahre Einsatzerfahrung aufweisen und mindestens 18 Jahre alt sein.“ Zu den häufigsten Einsatzindikationen gehören Reanimationen. „Das sind Einsatzgeschehen, die auch tragisch enden können“, weiß Ralph Maier. Darauf werden Helfer beim DRK vorbereitet.
Bei einer Einweisungsveranstaltung werden die Menschen intensiv über die Tätigkeit als Helfer vor Ort aufgeklärt. „Theoretische und rechtliche Inhalte werden vermittelt, zusätzlich die notwendigen Dokumentationspflichten etc.“, sagt Ralph Maier. Auch ein 16-stündiges Praktikum auf der nächsten Rettungswache muss absolviert werden. Die Einsätze können belastend sein. Daher bietet das DRK interne Angebote. Prüfungsinhalte sind ein internistischer und ein chirurgischer Notfall sowie eine Reanimation.
Alle Städte und Gemeinden im Kreis werden über das Helfer-vor-Ort-System abgedeckt. Das DRK versucht, in den Teilorten präsent zu sein. Alarmiert werden sie über den digitalen Meldeempfänger und/oder über eine App. Ihre Schnelligkeit macht sie so wertvoll.
Die Helfer führen lebenserhaltende Sofortmaßnahmen wie die Herz-Lungen-Wiederbelebung durch und betreuen die Patienten. Für die Ausbildung und die Ausrüstung kommt das DRK auf. Daher sind die Ortsvereine auf Spenden und Fördermitglieder angewiesen.