Wie eine App im Sturm half
Bei einem Unwetter im Rems-Murr-Kreis wird ein Mann im Wald schwer verletzt. Er ruft die 112, kann aber kaum reden. Die Position des Verletzten kann bestimmt werden. Zahlreiche Rettungskräfte rücken aus, auch ein Hubschrauber. Der Mann informiert seine Tochter, die sich auf eigene Faust auf die Suche macht. Das Unwetter tobt weiter. Die Tochter verirrt sich – und gibt ebenfalls einen Notruf ab. Die Positionsbestimmung funktioniert nicht. Wo ist sie gelandet? Sie ruft eine App auf. Drei Wörter helfen ihr. Gemeinsam mit der Leitstelle findet sie ihren Vater.
Es ist bereits einige Wochen her, als ein Unwetter über Teile des Rems-Murr-Kreises hinweg zieht. Einige Bäume kippen um und verletzen einen Mann schwer, der mit seinem Hund im Wald unterwegs ist. „Der Mann hat mehrmals den Notruf gewählt, konnte aber anfangs nicht sprechen“, erläutert DRK-Pressereferent Christian Siekmann. Doch die Integrierte Leitstelle kann die Position des Anrufers über das Verfahren „Advanced Mobile Location“ (AML) ermitteln. „Der Leitstellen-Disponent ging aufgrund der übermittelten Position im Wald und der aktuellen Unwetterlage von einer akut lebensbedrohlichen Situation aus. Rettungswagen, Notarzt und auch die Feuerwehr wurden alarmiert.“
Die App „what3words“ ist eine einfache Art, Orte genau zu beschreiben
Auch ein Rettungshubschrauber hebt ab. Ein Wanderparkplatz wird als Sammelpunkt für die Einsatzkräfte definiert. Schnell melden diese, dass umgestürzte Bäume den Weg zum Patienten blockieren. Rettungsdienst und Leitstelle reagieren: Bei diesen Wetterverhältnissen muss ein spezieller Hubschrauber entsandt werden, an Bord Einsatzkräfte der Höhenrettung. Dann folgt ein zweiter Notruf. Die Tochter des Verletzten meldet sich. Auch sie ist in Not. Da sie weiß, wo ihr Vater spazieren geht, hatte sich sie auf eigene Faust auf die Suche gemacht – und sich nach einiger Zeit im Wald verirrt. Sie ruft die 112. Anders als bei ihrem Vater funktioniert die Positionsbestimmung nicht. „Für eine AML-Positionsermittlung durch die Integrierte Leitstelle muss der Anrufer im Empfangsbereich seines eigenen Anbieters sein“, erläutert Christian Siekmann. Dies ist bei der Tochter nicht der Fall. Dann erinnert sie sich an eine App: Mit der Technologie „what3words“ kann sie ihren genauen Standort an die Leitstelle übermitteln.
Die App „what3words“ ist eine einfache Art, Orte genau zu beschreiben. Das System hat die Welt in ein Raster von drei Mal drei Meter großen Quadraten aufgeteilt und jedem Quadrat eine eindeutige Kombination von drei Wörtern zugeteilt – eine sogenannte what3words-Adresse. Das bedeutet, dass jeder Ort – ob Parkbank, Startpunkt eines Wanderweges oder Eingang eines Einkaufszentrums – eine eigene what3words-Adresse hat. So bezeichnet „wochen.gegend.abschnitt“ beispielsweise einen bestimmten Eingang der DRK-Rettungswache Waiblingen. Diese Adressen sind benutzerfreundlich und können über Telefon oder Funkgerät einfacher übermittelt werden als 16-stellige GPS-Koordinaten, die fehleranfällig sind. Die Tochter gibt dem Disponenten in der Leitstelle die what3words-Adresse für ihren genauen Standort an, die sie in der App identifiziert hat. Der gibt sie ins System ein und kann augenblicklich punktgenau lokalisieren, wo sich die Anruferin befindet. Der Disponent erkennt, dass der Vater sich lediglich 50 Meter entfernt von der Tochter befindet. Sie solle nach ihrem Vater rufen. Der antwortet schließlich und die Tochter erreicht ihn.
Endlich kann der Patient fußläufig erreicht werden
Derweil geht die Rettungsaktion weiter. Rettungsdienst, Hubschrauber, Feuerwehr, ein DRK-Ortsverein und einige Anwohner sind daran beteiligt. Bis auf 500 Meter Luftlinie kann sich der Rettungsdienst der Stelle anfangs nähern. Das Wetter wird schlechter. Waldmaschinen sind im Einsatz, um den Weg freizuräumen. Als der Hubschrauber gerade zum Windeneinsatz starten wollte, melden die Einsatzkräfte, der Patient könne fußläufig gerettet werden. Er wird auf ein geländegängiges Auto verladen und zu den Einsatzfahrzeugen verbracht, wo er medizinisch versorgt und ins Krankenhaus geflogen wird. Nach mehreren Stunden kann der Einsatz beendet werden, der allen Kräften, sowohl vor Ort als auch in der Integrierten Leitstelle einiges abverlangt hat.
„Glücklicherweise konnte dank what3words-App der Standort der Tochter ermittelt werden. Somit konnte eine weitere für die Rettungskräfte womöglich lebensbedrohliche Suche und Rettungsaktion verhindert werden“, teilt Christian Siekmann mit. Bei Notrufen aus dem Festnetz an die Nummer 112 kann die Leitstelle die Standortdaten ermitteln. Bei Anrufen über Handy nicht immer. Der Vorteil von „What3words“: Die App funktioniert offline und ist daher ideal für die Nutzung auch in sehr ländlichen Gegenden mit unzureichender Netzabdeckung. „In einer Notsituation ist es entscheidend, schnell und genau ermitteln zu können, wo Hilfe benötigt wird, um alle vorhandenen Ressourcen schnell an den Ort des Geschehens zu leiten. Die App erweitert die Möglichkeiten, Menschen zu lokalisieren, wenn die AML-Ortung nicht funktioniert und hat in dieser Situation die Möglichkeiten unserer Leitstelle sinnvoll erweitert. Unser Disponent hat genau richtig reagiert“, betont DRK-Kreisgeschäftsführer Sven Knödler.
„FindMe“-Link zur präzisen Standortermittlung
Auch wenn die App nicht installiert ist, könnte die Leitstelle eine Nachricht mit einem „FindMe“-Link zur präzisen Standortermittlung an den Anrufer senden. Voraussetzung ist auch hier, dass das Mobiltelefon im eigenen Netz eingebucht ist. Möglich ist auch, dass die Anrufer eine WhatsApp-Nachricht mit ihrem Standort an die Leitstelle schicken.
„In Notfällen ist es wichtig, genau beschreiben zu können, wo Hilfe benötigt wird. Das ist allerdings nicht immer einfach, wenn man sich an einem unbekannten Ort befindet, wie zum Beispiel in einer ländlichen Gegend ohne Straßenadresse oder Orientierungspunkte. Wir freuen uns sehr, dass what3words hier dazu beigetragen hat, Vater und Tochter in Sicherheit zu bringen, und dass das DRK und die örtlichen Rettungsteams die Technologie bei ihren Rettungseinsätzen als nützlich empfinden. Wir würden jedem empfehlen, die App herunterzuladen. Sie kostet nichts, sie ist praktisch, um Treffpunkte auszumachen oder Startpunkte für Wanderungen zu finden – und sie könnte eines Tages sogar dabei helfen, ein Leben zu retten “, so Chris Sheldrick, Mitbegründer und CEO von what3words.
Info:
What3words wurde 2013 in London von Chris Sheldrick mitbegründet und bietet eine einfache Möglichkeit, punktgenaue Ortsangaben zu machen. What3words-Adressen sind eine benutzerfreundliche Art, um präzise Standorte mit anderen zu teilen oder sie in Plattformen und Anwendungen wie Taxi-Apps, die Checkout-Seiten von E-Commerce-Anbietern oder Auto-Navigationssysteme einzugeben. Sie sind für die Spracheingabe optimiert und das System hat eine integrierte Fehlervermeidungsfunktion, die Eingabefehler sofort erkennt und korrigiert. Jede vierte Leitstelle in Deutschland könne inzwischen what3words-Adressen von 112- und 110-Anrufenden akzeptieren. Auch Pannenhilfsdienste nutzten die Technologie bei ihren Einsätzen für die Lokalisierung.
Die kostenlose What3words-App, die für iOS und Android verfügbar ist, sowie die kostenlose Online-Karte ermöglichen es Nutzern, What3words-Adressen in bisher 60 Sprachen zu finden, zu teilen und zu ihnen zu navigieren. Die what3words-API kann von Unternehmen gegen eine Lizenzgebühr genutzt werden, teilt die Firma mit. Für qualifizierte Nichtregierungsorganisationen und Rettungsdienste ist sie kostenlos. what3words habe sich als wichtige Anwendung für Rettungsdienste auf der ganzen Welt erwiesen und helfe, Zeit und Ressourcen zu sparen, wenn es am meisten darauf ankommt. Die Firma beschäftigt über 150 Mitarbeitende in Niederlassungen in Großbritannien, den USA, Deutschland, Südkorea, Vietnam und der Mongolei.