DRK im Einsatz auf dem Altstadtfest
Als die Polizei auf der Erleninsel auftaucht, macht sich Erleichterung bei den drei Helfern vom DRK breit. Zwei aggressive Streithälse, der eine kompakt und kräftig, der andere zwei Bierkrüge höher, gehen in Schlagdistanz. „Du und ich“, schreit der Größere. Der Kleine rennt auf ihn zu, wird von drei Landsleuten eingefangen. Seine Freundin brüllt auf ihn ein. Die Polizei nähert sich. Der Spuk hat ein Ende. Der Einsatz der DRK-Helfer geht weiter.
Ihr Einsatz auf dem Altstadtfest beginnt am Freitag um 15.30 Uhr. Im Bürgerzentrum sind die Helfer vom DRK dabei, Zentrale, Aufenthaltsraum und Sanitätsraum herzurichten. Medizinische Geräte, Verbandsmaterial, Liegen, Brechbeutel, Infusionsständer, Computer, Papiere und Nervennahrung. Gegen 18 Uhr ist alles erledigt. Offiziell beginnt ihr Dienst um 19 Uhr. Wann er endet? „Vier, fünf Uhr“, vermutet Carsten Magunia, Bereitschaftsleiter vom DRK-Ortsverein Waiblingen. Knapp 20 ehrenamtliche DRK-Helfer haben sich hier versammelt, unterstützt von Kräften des Malteser Hilfsdienstes. Drei mobile Helfertrupps sind im Einsatz, mindestens einer ist immer auf dem Fest unterwegs. Drei Leute von der Einsatzleitung behalten in der Zentrale den Überblick. Der Leiter der Sanitätsstelle und ein Arzt warten auf Patienten. Vier weitere Helfer besetzen zwei Rettungsfahrzeuge.
Draußen brütet die Hitze. Der Besucherandrang bleibt am frühen Abend noch übersichtlich, doch mit den fallenden Temperaturen steigt der Alkoholkonsum. Hatte die erste Patienten eine Verletzung am Fuß verbunden mit Kreislaufbeschwerden liegen in den nächsten Stunden überwiegend betrunkene Jugendliche im Sanitätsraum, schlafen ihren Rausch aus, füllen die Brechbeutel oder müssen ins Krankenhaus. So hatten es Einsatzleiter Heiko Fischer und Carsten Magunia auch vorhergesehen.
20.00 Uhr. Im Bürgerzentrum, wo DRK und Polizei ihre Zentrale aufgebaut haben, geht es beschaulich zu. Die Helfer haben Zeit, über Technik, Planung und Erfahrungen zu sprechen. Ihr Sanitätsdienst erfülle eine Pufferfunktion für den regulären Rettungsdienst, der bei schlimmeren Fällen alarmiert wird. Wo ist am meisten los? Erleninsel! Dort treffen sich die jungen Leute. Es habe sich bewährt, dass das THW die Erleninsel ausleuchtet, der Bereich sei für die Helfer gut anzufahren, sagt Carsten Magunia, der mit 50 Einsätzen beim diesjährigen Altstadtfest rechnet. Die erste Fußstreife verlässt die Zentrale. Ein Bienenstich, Kreislaufprobleme, sie verteilen Pflaster. Das war es vorerst. Das soll sich schnell ändern.
„Wir schicken jemanden raus“
21.02 Uhr. Die Funkgeräte knacken. Ein Kind hat eine Platzwunde. „Wir schicken jemanden raus“, sagt Heiko Fischer und ein Fahrzeug macht sich auf den Weg.
21.45 Uhr. Auf der Erleninsel wird das Team um Pia Jungbauer, Jan Kasper und Sven Knödler angehalten. Ein junger Mann humpelt auf sie zu. Schnitt am Knie. Scheinbar auf einen Stein gefallen. „Das muss genäht werden“, sagt Sven Knödler. Der Arzt schaut sich ein paar Minuten später die Wunde an. Die Sehne ist betroffen. Transport ins Krankenhaus. Die drei Helfer ziehen wieder los. Präsenz zu zeigen hat sich bewährt. „Da vorn liegt einer“, sagt ein Mann und zeigt mit dem Daumen Richtung Stihl-Pavillon. In der Tat. Neben seinem Erbrochenen quält sich ein Junge, eher unter 18 Jahre. Seine Kumpels kümmern sich um ihn. Aber es reicht nicht. Die Helfer bringen ihn in den Sanitätsraum. Das dauert. Dort angekommen heißt es Infusion. Die Eltern werden informiert.
In der Zentrale tauchen nun abwechselnd DLRG, Sicherheitsdienst, Begleiter von Betrunkenen, Eltern und THW auf. Und wieder ein Funkspruch. „Männlich, 16 Jahre, alkoholisiert.“ C2 heißt die rettungsdienstliche Abkürzung für Alkoholmissbrauch. C2-Intox steht für Alkoholvergiftung. Wieder knacken die Funkgeräte. Der Leiter der Sanitätsdienststelle von den Maltesern berichtet der Einsatzleitung, wer derzeit alles behandelt wird. „In Kürze zwei Mal C2“, informiert ihn Heiko Fischer. Die Einsatzfahrzeuge sind unterwegs.
„Braucht ihr eine Pause oder wollt ihr wieder raus?“
22.58 Uhr. „Trupp 1 ist wieder da“, meldet ein Helfer vom Sanitätsdienst. „Braucht ihr eine Pause oder wollt ihr wieder raus?“. Kurze Pause. Die Polizei meldet eine Frau, die nicht mehr ansprechbar ist. Trupp 2 muss raus. Vorm Bürgerzentrum passieren sie den Rettungswagen der Waiblinger Bereitschaft, der gerade gereinigt wird. Auch das gehört dazu. Trupp 2 holt die Frau und trifft nun auf die beiden Streithälse, die sich anschreien.
23.07 Uhr. „Die Polizei will einen KTW beim Brasilianer“, heißt es. Zwei Helfer marschieren los. Trupp 2 passiert am Marktbrunnen einen Krankenwagen, der mit Blaulicht in der Menge steht. Fahrzeug und Helfer quälen sich durch die Menge. Im Einsatz muss man „rufen und drücken, anders kommst du nicht durch“, sagt Jan Kasper in seiner Art, die eine extreme Ruhe ausstrahlt. „Brutal“ sei das Gedränge an manchen Stellen sagen nicht nur die Helfer. Wieder nehmen sie einen Betrunkenen mit. „Der kotzt, der kann nicht mehr“, sagt ein Freund treffend. „Ihr seid tolle Leute“, kommentiert eine Freundin lallend.
23.22 Uhr. Jan füllt seinen Notfallrucksack nach. „Jetzt zieht es langsam an“, meint Heiko Fischer. 20 Minuten später steht das THW in der Zentrale. Ein Mann „benötige Aufsicht“. Kurz vor Mitternacht. Ein Wagen fährt vor. Ein junger Mann wird auf der Trage liegend reingeschoben. Die Stirn glänzt, die Augen sind geschlossen. Die Schuhe sind verschmutzt, Hose, Hemd und Gesicht ebenfalls. C2-Intox. Ein anderer will sich selbst entlassen. Er sei 18 Jahre alt und wieder nüchtern. „Den sehen wir wieder“, sagt Sven Knödler. Er soll recht behalten. Genau wie Carsten Magunia vor ein paar Stunden: „Auf der Erleninsel passiert immer etwas.“
00.29 Uhr. Ein sichtlich erschütterter junger Mann spricht Helfertrupp 2 auf der Erleninsel an. Schwellung neben dem linken Auge. Die Nase rot. Sie blutet stark. „Können Sie mal gucken, ob die gebrochen ist?“ Er schildert, wie er Opfer eines aggressiven Mannes wurde, der Streit gesucht hat. Der fühlte sich belästigt und schlug sofort mit einer Bierflasche zu. Trupp 2 führt ihn zur Zentrale. Wenig später trifft ein zweites Opfer ein. Die Polizei wird informiert. Beide wollen Anzeige erstatten. „Es ist brutal wie die Aggressivität zugenommen hat“, sagt ein erfahrener Helfer. Viele würden ja nicht mal mehr den Wagen ausweichen, sondern im Scheinwerferlicht tanzen und auf die Wagen klopfen.
„Das geht gar nicht!“
01.05 Uhr. Beim Gang in Richtung Beinsteiner Tor spricht ein Mann die Helfer an. Angeblich habe ein junger Mann eine Flasche Cognac geext und hatte einen Asthma-Anfall. Er wird versorgt und fängt sich wieder. Später zündet er sich eine Zigarette an. Die Helfer schütteln den Kopf. „Eine halbe Stunde gibt es noch Alkohol“, sagt Pia Jungbauer. Gegen halb 2 passiert dann auch weniger, bis ein junger Mann sich meldet. Auf der Erleninsel werfe jemand mit Flaschen, „das geht gar nicht.“ Die Polizei wird informiert.
01.32 Uhr. „Trupp 3 quält sich noch mal raus“, sagt Helferin Hannah. Sie und Niko ziehen los. „Cool, was ihr macht“, hat vorher ein junger Mann gesagt, der sich als „Blaulicht-Fan“ bezeichnet. Worte, die Mut machen. Schulterklopfen und gute Wünsche kommen an bei den Helfern. Gegen 02.30 Uhr wird es merklich ruhiger. Es gab weniger Heimwegschlägereien als befürchtet, freut sich Einsatzleiter Heiko Fischer.
Die Bilanz: 20 größere Einsätze haben die Helfer protokolliert, als ihr Dienst gegen 03.30 Uhr endet. Drei Kliniktransporte und viele Kleinsthilfeleistungen. Warum machen sie das? Gegen 19 Uhr fiel die Antwort noch etwas ausführlicher und euphorischer aus. Nicht wegen des Geldes. Das habe mit Idealismus zu tun, anderen zu helfen. Das Altstadtfest gehöre zu den größten Einsätzen im Rems-Murr-Kreis. Hier werden sie gebraucht und können zeigen, was sie gelernt haben und Herausforderungen meistern, sagen Heiko Fischer und Carsten Magunia. Und die Bilanz nach achteinhalb Stunden? „Schon ordentlich“, sagen sie. Endlich können sie nach Hause. 50 Helfer werden insgesamt das Fest sanitätsdienstlich betreuen, damit rund Zehntausende Menschen feiern können.
Info: Damit das DRK Sanitätsdienste in dieser Größenordnung und Professionalität durchführen kann, freut es sich über Neugierige jeden Alters, die ihre Talente und ihre Einsatzbereitschaft beim DRK-Ortsverein Waiblingen einbringen wollen. Wer sich informieren möchte, Fragen hat und mal vorbeischauen will, kann die 07151 55955 anrufen oder schreibt eine Mail
an Bereitschaftsleitung@drk-waiblingen.de.