Herr Knödler: Wie lange sind Sie schon beim DRK?
Geschäftsführer bin ich seit rund 9 Jahren. Ehrenamtlich engagiere ich mich bereits seit 35 Jahren für das Deutsche Rote Kreuz.
Wie würden Sie das DRK im Kreis beschreiben?
Wir sind ein Verein mit unwahrscheinlich engagierten Menschen, die ihr Herzblut einbringen und die die Hilfe am nächsten in den Mittelpunkt stellen – egal ob im Rettungsdienst, der Sozialarbeit oder im Ehrenamt. Wir helfen schnell und unbürokratisch. Wir reden nicht, wir handeln! Als in Rudersberg Arztpraxen buchstäblich abgesoffen sind, haben wir in fünf Stunden die mobile Arztpraxis des DRK organisiert. Das macht uns keiner nach.
Hat sich das DRK verändert?
Ja und nein. Immer wird das Helfen im Mittelpunkt stehen. Für das Ehrenamt gilt: Werden wir – wie beim Hochwasser – benötigt, tun wir alles, um zu helfen. Aber das „Wie“ verändert sich. Früher hat man sich in allen Bereichen engagiert: Bei Blutspende-Aktionen, Seniorennachmittagen, Sanitätsdiensten, Einsätze. Heute ist das Helfen spezialisierter, unterliegt vielen rechtlichen Hürden und wird immer anspruchsvoller. Bei uns kann jeder und jede das individuelle Talent einbringen. Wer Erste Hilfe leisten will, muss nicht bei Seniorennachmittagen helfen. Die Helfer können sich so engagieren, wie sie wollen. Und ganz wichtig: Unser Hobby ist kostenlos – aber nicht umsonst. Das beweisen wir immer wieder.
Vor welchen Herausforderungen steht das DRK?
Die Anforderungen an unseren Rettungsdienst und an unsere anderen ehrenamtlichen und hauptamtlichen Dienste steigen immer weiter an – was nicht nur am Demographischen Wandel liegt. Was uns beim Rettungsdienst immer mehr belastet, ist eine steigende Anzahl von hilflosen Anrufern, welche mangels Alternativen im präklinischen Versorgungssystem den Rettungsdienst anfordern. Dadurch steigen bei uns die Anzahl an Notrufen und Fehleinsätzen. Der Rettungsdienst wird zum Lückenbüßer und Auffangbecken für andere oder fehlende Versorgungssysteme. Leider kommt zu dieser Sachlage teilweise auch ein hohes Anspruchsdenken hinzu. Das hat Auswirkungen auf unsere Mitarbeiter. Wir müssen eine Frustrationstoleranz aufbauen.
Im Bereich der ehrenamtlichen Dienstleistungen wird das DRK die Herausforderungen der Finanzierung dieser Systeme und die Gewinnung von Ehrenamtlichen meistern müssen.
Was können Sie dagegen tun?
Wir schulen unsere Mitarbeiter entsprechend, was den Aufbau einer Frustrationstoleranz etc. betrifft. Und wir gehen auf die Menschen zu. Wir passen unser Erste-Hilfe-Kurs permanent an, Stichwort Resilienz. Es geht darum, die Menschen zu befähigen, in Notlagen handlungsfähig zu sein. Das fängt bei Kindern an. Darum sind wir auch in Schulen und Kindergärten aktiv. Unsere Botschaft: Jeder kann helfen! Aber wir wissen auch: Der Bedarf an Hilfe ist grenzenlos. Aber die Ressourcen sind leider begrenzt. Darum muss man allen Einsatzkräften den Rücken stärken.
Während des Hochwassers haben 220 ehrenamtliche Einsatzkräfte geholfen. Auf Knopfdruck kamen aus dem gesamten Rems-Murr-Kreis Helfer. Wird das in 50 Jahren auch noch der Fall sein?
Davon gehe ich aus! Wir haben in den vergangenen Jahren immer mehr Sanitäter ausgebildet. Die Zahl der registrierten Ersthelfer steigt. Aber es gibt auch einen Fachkräftemangel im Ehrenamt. Wir konkurrieren um Übungsleiter und alle Vereine buhlen um junge Menschen. Darum müssen wir attraktiv bleiben, qualifizierte Aus- und Fortbildungen und eine moderne Ausstattung bieten. Da wir auf Spenden angewiesen sind, müssen wir die Finanzierung des Ehrenamts sicherstellen.
Wie machen Sie das?
Wir erhalten regelmäßig Spenden. Und der Zusammenhalt im Landkreis – nicht nur bei Krisen – ist phänomenal. Wir haben rund 22.000 Fördermitglieder, die uns teilweise seit Jahrzehnten unterstützen. Das ist beeindruckend. 2023 haben wir unsere neue Stiftung gegründet, um das DRK vor Ort langfristig unterstützen zu können. Wir müssen noch deutlicher zeigen, wie wichtig unsere Arbeit ist, damit alle den Wert des DRK erkennen und bereit sind, uns zu unterstützen. Aber Rotkreuzler sind keine Marketing-Profis. Sie verlieren keine großen Worte über ihr Tun. Sie müssen sich vorstellen: Viele von uns haben bereits Leben gerettet. Aber davon hört man wenig. Wir stellen die Hilfe in den Mittelpunkt, stilisieren uns aber nicht zu Helden. Wir punkten nicht mit Floskeln, sondern mit Teamgeist, Hingabe und Energie. Und wir bieten Freiraum für die Talente unserer Helfer.
Teamgeist, Hingabe, Energie. Das sind doch Floskeln?
Nein. Während des Hochwassers haben Helfer aus dem gesamten Rems-Murr-Kreis angepackt. Das war ein immenser Teamgeist zu spüren. Stichwort Energie und Hingabe. Was schätzen Sie: Zu wie vielen Einsätzen sind unsere sieben fleißigsten „Helfer vor Ort“, ehrenamtliche Lebensretter aus der Nachbarschaft, in den vergangenen 3 Jahren ausgerückt?
Schwer zu sagen. 200 Einsätze?
787 Mal! Das heißt 787 Mal haben diese Helfer Menschen geholfen! Stephan Schönle aus Winnenden hat allein 168 Einsätze übernommen. Wahnsinn!
Wie wichtig ist das DRK im Kreis?
Das DRK ist das Gegenteil der Ellenbogen-Gesellschaft. Wir reichen die Hand und helfen. Wir sind füreinander da. Wir tun Gutes. Und das macht uns Freude und Spaß – auch wenn es manchmal anstrengend ist. Wir haben ein einmaliges Portfolio und sind super aufgestellt: Rettungsdienst und Sozialarbeit auf der einen und das Ehrenamt mit den Bereitschaften, Jugendrotkreuz und den Angeboten für Familien und Senioren auf der anderen Seite. Alles zielt darauf, den Menschen – oft aber nicht nur – im Notfall zu helfen. Und das als Teil einer tollen Gemeinschaft Gleichgesinnter. Wir helfen und hier entstehen Freundschaften – und mitunter bahnen sich hier auch Ehen an.
Sie sind seit 35 Jahren aktiv. Warum?
Jeder erwartet einer Notlage, dass einem geholfen wird. Aber jeder und jede muss sich fragen, ob sie auch selbst dazu bereit sind. Es ist einfach ein unheimlich gutes Gefühl, wenn man helfen kann und wenn das eigene Handeln die Gesellschaft voranbringt. Wenn ich sehe, dass es Menschen schlecht geht, dann muss ich etwas tun! Die Arztpraxis ist abgesoffen? Dann organisieren wir die mobile Arztpraxis! Auch darum bin ich haupt- und ehrenamtlich tätig. Als Helfer vor Ort kann ich etwas tun, im besten Fall ein Leben retten. Das bringt mir unheimlich viel. Und Wertschätzung zu erfahren für das, was man tut, das motiviert mich und andere.
Wie kriegen wir die Menschen dazu, dass sie sich auch in Zukunft noch engagieren?
Diese Frage beschäftigt mich. Wir als DRK müssen die finanzielle Grundlage für unser Tun sicherstellen, damit wir Fahrzeuge, Ausrüstung, Aus- und Fortbildung finanzieren können. Hier sind wir immer auf die Unterstützung und das Wohlwollen der Menschen angewiesen. Aber jeder Euro für das DRK ist ein Euro für die Sicherheit im Rems-Murr-Kreis.
Unser Kreisverband hat einen sehr guten Ruf, weil wir viel bieten und für Qualität stehen. Das wollen wir dauerhaft sicherstellen: Unsere einmalige Leistungsfähigkeit in der Notfallrettung und in der Sozialarbeit sowie im Bevölkerungsschutz und natürlich unsere engagierte Jugendarbeit vor Ort und in den Schulen sowie unsere wichtigen Angebote für Familien und Senioren. Denn das DRK bietet für jeden etwas - vom ersten Lebensjahr bis in den Lebensabend.