Am 04. April 2022 übernahm das DRK Rems-Murr eine Aufgabe. Der Landkreis hatte angefragt, ob der Kreisverband sein Helfer-Netzwerk für die Betreuung und Versorgung von aus der Ukraine geflüchteten Menschen aktivieren könnte, die in der BBW-Halle untergebracht werden. Das DRK begann sofort mit der Organisation: Anfragen an Helfer wurden gestellt, Dienstpläne erstellt, Touren geplant. Anfangs hätte niemand gedacht, dass dieser Einsatz drei Jahre dauern würde. Mehr als 100 Menschen aus 14 Ortsvereinen waren oder sind aktiv. Eine Sache haben sie dabei nie verloren.
Constanze Maier aus Weinstadt ist eine der Helferinnen. Sie spricht von „drei Jahren voller Engagement, Hilfsbereitschaft, Kameradschaft, Begegnungen und Erlebnissen mit schönen, aber auch traurigen Momenten.“ Auf 40.000 Einsatzstunden kommt das Helfer-Team des DRK. War ihre Tätigkeit in der Anfangszeit überwiegend ehrenamtlich organisiert, musste die Arbeit zusätzlich auch auf hauptamtliche Schultern verteilt werden. „Zwar verfügen wir im Kreis über Hunderte von Helferinnen und Helfern, aber auch uns als Kreisverband ist es nicht möglich, dass sechs ehrenamtliche Kräfte sieben Tage in der Woche zur Verfügung stehen.“ sagt DRK-Kreisgeschäftsführer Sven Knödler. Knapp 8000 geflüchtete Menschen habe man in fast 1100 Tagen beherbergt. „Auch an Feiertagen waren wir aktiv“, sagt Knödler und dankt dem Team.
Bis zu 400 Menschen pro Tag
„Wir stehen vor der Herausforderung, dass wir an manchen Tagen bis zu 400 Personen verpflegen mussten und an anderen Tagen weniger als 50 Menschen“, sagt Markus Frey vom Ortsverein Oppenweiler, der über zwei Jahre gemeinsam mit Peter Fink aus Urbach für die Organisation zuständig war. Irgendwann sei anderen aufgefallen, dass ihnen die ständige Nachtarbeit nicht gut tue, sagt Peter Fink und gibt einen Einblick in das DRK-Ehrenamt, das sie zusätzlich zu ihrem normalen Job leisten. „Kontakt zum Landratsamt, Dienstpläne schreiben, Abrechnungen vorbereiten, Einkäufe disponieren, Optimierungsbedarf befriedigen. Die Arbeiten summieren sich“, sagt Peter Fink. Die Auswirkungen von Corona beschäftigten die Helfer ebenfalls.
Die Auswirkungen von Corona beschäftigten die Helfer ebenfalls. Bei rund 8000 betreuten Menschen gab es immer wieder „spontane Spezialfälle“. Im Zwei-Schichtsystem bereiten die Helfer Frühstück und Abendessen vor und geben dies sowie das Mittagessen aus. Lagerkapazitäten müssen angepasst, Sprachbarrieren überwunden und die Getränke- und Lebensmittelbevorratung flexibel organisiert werden. Auch für ständig sauberes Geschirr müssen sie sorgen. „Kreativität und Organisationstalent zeichnen das DRK aus“, sagt Markus Frey erklärend.
„Darum machen wir mehr, als wir müssten."
Das DRK-Team sei auch Ansprechpartner für die geflüchteten Menschen, sagt Helferin Nicole Stahl aus dem Ortsverein Althütte. „Unsere Aufgabe ist es, sie zu verpflegen. Aber wir wollen ihnen ihren Aufenthalt im Ankunftszentrum so angenehm wie möglich gestalten“, sagt sie – vor allem mit Blick auf die Kinder. „Darum machen wir mehr, als wir müssten. Es wird gespielt, gebastelt und gemeinsam gebacken.“ Auch wenn ein Bewohner beispielsweise Hilfe beim Auszug benötigt oder ein geliebtes Haustier stirbt und bestattet werden muss, seien die Helfer zur Stelle. Zur Betreuung gehören neben der Ausgabe der Mahlzeiten, auch Besorgungen und Bestellungen. „Und wir sorgen gemeinsam dafür, dass es in der Halle sauber und ordentlich ist“, berichtet Constanze Maier. „Mit den Kindern haben wir regelmäßig eine Flurputzaktion rund um die Halle organisiert oder Grünpflege betrieben.“ Bei medizinischen Notfällen konnten die ausgebildeten Sanitäter helfen, Blutdruck oder Fieber messen, Wunden versorgen, zeitweise Corona-Tests durchführen oder auch Hilfestellung leisten, wenn am Wochenende eine Apotheke oder ein Arzt benötigt wurde.
Aus dem Team kamen immer viele Ideen. Am Nikolaustag wollten sie den Kindern etwas Besonderes bieten. „Ein echter Nikolaus im DRK-Rot wurde organisiert, der Geschenke verteilte“, berichtet Richard Aichele vom Ortsverein Remshalden, der mit seinen über 70 Jahren von Anfang an dabei ist. Es sind die kleinen Gesten, auf die sie Wert legten. Die Menschen seien wahnsinnig dankbar dafür, berichten die Helfer. Das Schicksal der Bewohner bewegt das Team. „Die Menschen, die zu uns kommen, haben viel erlebt und daher wollen wir ihnen den Start im Rems-Murr-Kreis erleichtern“, sagt Nicole Stahl stellvertretend für das DRK-Team.
"Nur im Team können wir etwas Großes schaffen.“
„Eine Frau weinte bitterlich. Als wir gefragt haben, was passiert ist, sagte sie, sie haben eben vom Tod ihres Mannes erfahren. Er sei im Krieg gefallen“, schildert Nicole Stahl. Das berühre das gesamte Team. Aber es gebe auch schöne Momente. Da war eine Frau, die eines Tag ganz aufgeregt gewesen sei. Das Team habe sich erkundigt, was los sei. „Sie nahm uns mit nach draußen, wo ein Bus ankam. Ein Mann, der Vater ihrer beiden Kinder, stieg aus und alle fielen sich um die Arme. Die Halle ist nicht nur ein Ort, um den geflüchteten Menschen vorübergehend ein Dach über dem Kopf zu gewähren. Es ist ein Ort der Menschlichkeit“, betont das DRK-Team. „Wir verbringen hier sehr viel Zeit miteinander und nur im Team können wir etwas Großes schaffen“, sagt Nicole Stahl.
„Auch wenn der Dienst mal stressig ist: Es ist nicht nur eine Arbeit, zu der man täglich geht – es ist eine Herzenssache“, berichtet Carola Lindauer aus dem Ortsverein Rudersberg, die seit Mai 2022 an Bord ist. „Wir haben nie unser Lachen verloren!“