Erste Hilfe und Corona: Sich selbst schützen und Leben retten
Für jeden Teilnehmer gibt es beim Roten Kreuz ein aufgezeichnetes Quadrat. Denn in Zeiten von Corona ist der Lehrsaal in Waiblingen genau eingeteilt: 17 Quadrate mit Stuhl für die Teilnehmer der Erste-Hilfe-Kurse, ein Bereich für die Lehrkraft und in der Mitte zwei Übungsbereiche, damit der Mindestabstand von 1,5 Metern garantiert werden kann. Willkommen bei der Erste-Hilfe-Ausbildung unter Corona-Bedingungen.
„Die Nachfrage nach Erste-Hilfe-Kursen ist derzeit sehr groß“, berichtet Birgit Kralisch, beim DRK-Kreisverband Rems-Murr e. V. zuständig für die Breitenausbildung. Nach einer Zwangspause bietet das DRK seit Anfang Juni wieder verschiedene Kurse rund um das Thema Hilfeleistung an. Wegen der Ansteckungsgefahr mit einigen Änderungen.
„Wir gestalten die Kurse so, dass viel hängenbleibt.“
„Ein hoher Praxisanteil ist von Vorteil“, betont Ausbilderin Annett von Rüsten. „Wir gestalten die Kurse so, dass viel hängenbleibt.“ Sie will keine Filme zeigen oder einen Monolog halten, das sei nicht zielführend. Daher haben sich DRK-Desinfektor und Ausbilder zusammengesetzt und an einem Hygiene-Plan gefeilt, der allen Vorgaben und dem Anspruch des DRK an eine qualifizierte Ausbildung gerecht wird. So auch kürzlich.
Annett von Rüsten beobachtet das nächste Duo, das getrennt an zwei Puppen eine Reanimation durchführen soll. Eine Frau schließt den Defibrillator an, einen Schockgeber für das Herz, wenn es nicht mehr schlägt. Der Mann führt die Herzdruckmassage aus. „Wir stellen uns vor, wir reanimieren gemeinsam“, sagt die Ausbilderin. Immer wieder stellt sie Fragen und bezieht die Gruppe mit ein. Wie tief dürfen Helfer den Brustkorb bei der Reanimation eindrücken? Das hänge von der Statur der Person ab, sagt jemand. Vier bis fünf Zentimeter sollten es schon sein. Der Mann legt los. Dann wäre der Defibrillator bereit, einen Schock abzugeben. „Abstand halten“, sagt die Ausbilderin jetzt – und sie meint ausnahmsweise nicht wegen Corona. Gemeinsam wird die Funktionsweise des Defibrillators erläutert und geübt. Die Teilnehmer tauschen die Position, nachdem Annett von Rüsten zum wiederholten Male Puppen und Co. desinfiziert hat. Dann ist wieder eine Pause und es wird gelüftet. Zeit für Händewaschen und Desinfizieren.
Das alles ist Bestandteil des individuellen Hygienekonzepts des DRK: Handhygiene, lüften, desinfizieren, mehr Vorführungen, Masken- und Handschuhpflicht bei Übungen, keine Gruppenbildungen. Und so weiter. „Die Menschen sollen trotz Corona dort, wo es möglich ist, mitmachen und üben, um im Notfall routiniert und sicher helfen zu können“, sagen die Ausbilder des DRK.
„Abstandswahrende Lebensrettung“
Kontakte sind an diesem Kurstag auf ein Minimum beschränkt, das hat die Ausbilderin gleich zu Beginn deutlich gemacht. Feste Zweier-Teams werden gebildet. Die führen beispielsweise eine Wundversorgung oder Blutstillung durch. Allerdings nicht am Kopf – wegen der Gefahr der Tröpfchen¬infektion – oder am Arm, sondern eher am Bein. „Abstandswahrende Lebensrettung“ hat die Waiblinger Zeitung dies genannt. Da oft nur zwei Personen gleichzeitig trainieren können, vertiefen die übrigen Teilnehmer während dieser erzwungenen Unterbrechungen ihr Wissen anhand von Fallbeispielen aus dem Alltag.
Wer übt, schmeißt danach die Handschuhe weg. „Der Materialverbrauch ist enorm“, sagt Annett von Rüsten. Das sei leider unvermeidlich und erhöhe die Kosten für das DRK. Auch der Fragebogen, den jeder Teilnehmer vor Kursbeginn ausfüllen muss, ist unumgänglich. Wer beispielsweise Symptome wie Fieber zeigt, darf nicht am Kurs teilnehmen.
Weitere Übungen folgen. Die erfahrene Ausbilderin erläutert auf Nachfrage: Insbesondere in Zeiten von Corona müsse niemand fremde Personen beatmen. Die Herz-Druck-Massage sei jedoch essentiell. Weil sich nach einem Notfall anfangs noch genügend Sauerstoff im Blut befinde, müsse gedrückt werden. So werde das Blut mit Restsauerstoff zum Gehirn gepumpt. Im Notfall die 112 wählen und drücken: Das sei am wichtigsten. Wieder beginnt ein abgeschwächter Praxisteil. Wie nähere ich mich Patienten in Zeiten von Corona? Vor der Pandemie hielt man den eigenen über den Kopf der verunfallen Person, um die Atmung zu überprüfen. Das geht, Stichwort Aerosole, aktuell nicht mehr. Stattdessen wird die Person laut angesprochen, berührt und der Kopf überstreckt. Nun wird geschaut, ob der Brustkorb sich bewegt.
„Es geht darum, Menschenleben zu retten und sich selbst zu schützen“, stellt Annett von Rüsten fest. Für diese Übungen dürfen die Teilnehmer auch mal ihr Quadrat verlassen – aber nur mit Maske. Erste Hilfe unter Corona-Bedingungen. „Wir alle müssen uns daran gewöhnen. Aber es klappt“, ist sich das DRK-Ausbilder-Team nach einigen Wochen sicher.