DRK Rems-Murr hilft seit Tagen im Katastrophengebiet
Mit einem Großaufgebot an Einsatzkräften hat das Rote Kreuz Baden-Württemberg bereits am Donnerstag die Menschen in den Katastrophengebieten in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen unterstützt. Auch ehrenamtliche Einsatzkräfte aus dem Rems-Murr-Kreis waren in der Akutphase vor Ort. Eine zweite Gruppe traf am Samstag ein. Die ausgebildeten Helferinnen und Helfer schildern, was sie in den vergangenen Tagen erlebt haben, angefangen von der nächtlichen Evakuierung eines Pflegeheims bei Regen bis zur Unterstützung des Rettungsdienstes in den Tagen danach.
„Die Bewohner wurden mit Radlader aus dem Gebäude geholt“
Es dauerte rund eine Stunde, dann saßen Isabell Hoffmann und Hannes Häbich vom DRK-Ortsverein Sulzbach im Notfallkrankentransportwagen und waren auf dem Weg ins Krisengebiet nach Rheinland-Pfalz. Vor Ort erhielten sie am späten Donnerstagabend den Auftrag, gemeinsam ein Krankenhaus zu evakuieren. Kurz vor Mitternacht änderte sich der Auftrag und Ziel ihrer Einheit war es nun, in Bad Neuenahr-Ahrweiler ein Pflegeheim zu evakuieren. Das Erdgeschoss war überschwemmt worden. Nun galt es, gemeinsam mit Feuerwehr und THW 56 Bewohner aus dem ersten und zweiten Stock eines Pflegeheims zu evakuieren – um 2 Uhr nachts, bei Starkregen und ohne Strom. „Wir waren mittendrin“, schildert Rettungshelferin Isabell Hoffmann. „Die Bewohner wurden mit Radlader aus dem Gebäude geholt“. Das DRK-Team aus dem Rems-Murr-Kreis hatte eine wichtige Aufgabe.
„Hannes Häbich als Arzt und ich als examinierte Altenpflegerin waren prädestiniert für die Sichtung der Bewohner“, schildert die ehrenamtliche Helferin ihren Einsatz. „Wir haben in vier Stunden mehr als 100 Menschen gesichtet“, die mit den Krankentransportwagen auf nahegelegene Notunterkünfte verteilt werden mussten. Für den Transport waren die übrigen Besatzungen des DRK und anderer Hilfsorganisationen in der Nacht auf Freitag zuständig. „Es waren Zustände wie im Krieg“, schildert die DRKlerin ihren anstrengenden Einsatz. Nahrungsmittel und Lebensmittel, die für die Helfer gedacht waren, haben sie noch in der Nacht an die Menschen verteilt, denn nicht nur Heimbewohner wurden evakuiert. „Da waren Menschen, die hatten nichts mehr. Ihr Haus war weggeschwemmt worden oder bis in die zweite Etage von Wasser und Schlamm überschwemmt“, sagt Isabell Hoffmann. „Eine Frau stand vor uns. Sie sagte, sie besitze nichts mehr, außer ihrer kurzen Hose und dem Shirt, die sie am Leib trug.“ Die Bilder dieser Nacht haben die Helferinnen und Helfer geprägt. Erschöpfe Feuerwehrleute hätten in der Anfangszeit auf dem Boden geschlafen.
„Im Epizentrum der Katastrophe herrschten Chaos und Verwüstungen“
„Auf Pritschen in den Schaufeln der Radlader holten Feuerwehr und THW die Menschen aus dem Pflegeheim.“ Sie lieferten sie beim Helfer-Team aus Sulzbach ab. Dies entschied je nach Zustand der Patienten, ob diese sofort ins Krankenhaus oder in eine nahegelegene Notunterkunft gebracht werden mussten. „Einige Menschen waren sehr krank, manche dement, andere unterkühlt, ausgehungert, durchnässt oder einfach nur erschöpft“. Die Situation war extrem, sagt Isabell Hoffmann. „Die normalen Dinge funktionieren nicht mehr. Es gibt keine Grundversorgung: Strom weg, Brücken weg, Häuser weg, Straßen weg, Internet weg. Mitunter kein Funk oder Telefon. Ich habe alle Krankenwagen nach Decken durchsucht, um den Menschen zu helfen“. Mit vielen Menschen hätten sie gesprochen. „Im Epizentrum der Katastrophe herrschten Chaos und Verwüstungen“, schildert die erfahrene Helferin, „aber die Leute waren freundlich und die Hilfsbereitschaft beeindruckend“.
Irgendwann wurde ihr klar, dass unter einigen Trümmerbergen Leichen liegen würden. Dankbar ist sie daher, dass sie nach ihrer Rückkehr am Freitag ein Gesprächsangebot der Mitarbeiter der psychosozialen Notfallversorgung des DRK Rems-Murr erhielt, das sie am Samstag annahm. Die Zusammenarbeit vor Ort und auch im Nachgang war hervorragend, dankt sie allen Helferinnen und Helfern. „Man darf nicht vergessen, es sind Ehrenamtliche, die da geholfen haben“, sagt sie. Bis 11 Uhr hätten sie am Freitag vor Ort geholfen. Ein DRK-Team aus Urbach holte die erschöpften Einsatzkräfte auf halber Strecke ab und fuhr sie nach Hause. „Ich konnte erst nicht schlafen. Ich hatte nur Blaulicht vor Augen“, sagt Isabell Hoffmann. Dennoch ist sie dankbar, dass sie helfen und eine großartige Hilfsbereitschaft erleben konnte.
Helfer-Duo aus Winnenden unterstützt den Rettungsdienst
Bereits am Samstag machte sich ein zweites Team aus dem Rems-Murr-Kreis, ebenfalls nach Aufforderung aus dem Innenministerium Baden-Württemberg auf den Weg ins Katastrophengebiet. Ein Helfer-Duo des DRK-Ortsvereins Winnenden, ebenfalls an Bord eines Notfallkrankentransportwagens, den das Land dem DRK zur Verfügung stellt. Da ihr Verband bestehend aus 32 Krankentransportwagen geschlossen agieren sollte, standen sie die ersten Stunden in Wartestellung, um flexibel reagieren zu können. Da die Lage am Samstag bereits übersichtlicher war, war es nun ihre Aufgabe, den Rettungsdienst als so genannte „First Responder“ zu unterstützen.
Die professionellen ehrenamtlichen Ersthelfer übernahmen die Gebietsabsicherung, betreuten die Menschen vor Ort, versorgten sie und gaben Nahrung und Getränke aus. „Je nach Lage ist die Situation vor Ort wie im Krieg“, schildert auch Zugführer Christian Franck, der gemeinsam mit Rettungssanitäterin Carolin Häußer von Samstag bis Dienstagnacht in Rheinland-Pfalz tätig war. „Es wurden immer noch Tote gefunden“, schildert der 30-jährige Helfer. „Bergepanzer, Amphibienfahrzeuge, Krankentransportwagen und Hubschrauber, die einem über den Kopf fliegen“, beschreibt er die Lage im zentralen Bereitstellungsraum für die vielen Helfer. Das Ausmaß an Einsatzmitteln und Hilfsbereitschaft sei großartig, sagt er. „Die Feuerwehr ist rund um die Uhr im Einsatz“. Er sei froh, dass er dank seiner Ausbildung beim DRK, die die Ortsvereine finanzieren, vor Ort helfen und Teil der Hilfeleistungsinfrastruktur in dieser außergewöhnlichen Großschadenslage sein kann. Erschüttert ist er über die Zustände im Katastrophengebiet. Ortsteile seien nicht oder kaum anfahrbar, darum stünden überall Krankentransportwagen, um vor Ort eingreifen zu können.
„Um jetzt Menschen helfen zu können, dafür haben wir Ehrenamtliche die vielen Stunden Aus- und Fortbildung investiert“, sagt er. „Jetzt zahlt sich aus, was wir in den vergangenen Jahren gelernt und geprobt haben“, so Christian Franck. Jeder Sanitäter beim DRK-Kreisverband absolviert einen Helfer-Grundausbildung-Praxistag. An diesem Tag werden Inhalte rund um den Katastrophen- und Bevölkerungsschutz vermittelt.
„Insgesamt kann das DRK Rems-Murr auf mehrere Hundert Ehrenamtliche zurückgreifen“
Im Rems-Murr-Kreis bereitet sich DRK-Einsatzstab darauf vor, bei Anforderung durch die Katastrophenschutzbehörden weitere Einsatzmittel in das Katastrophengebiet zu schicken. Beim Einsatzstab laufen die Fäden zusammen. Schwerpunkte der Einsatzformationen des DRK bilden insbesondere die Erstversorgung und der Transport von Verletzten, die Betreuung und Versorgung unverletzt Betroffener sowie die psychosoziale Notfallversorgung. Die Einsatzkräfte engagieren sich in den Bereitschaften der 26 Ortsvereine. Die ehrenamtlichen Einsatzkräfte sind 24 Stunden täglich und innerhalb kürzester Zeit einsatzbereit, erläutert Kreisbereitschaftsleiter Heiko Fischer die klaren Strukturen. „Insgesamt kann das DRK Rems-Murr auf mehrere Hundert Ehrenamtliche zurückgreifen“, so Heiko Fischer. Die Führungskräfte sind alarmiert und alle Vorkehrungen wurden und werden getroffen.
„Wir sind stolz, dass wir als DRK im Rems-Murr-Kreis über so viele gut ausgebildete Helferinnen und Helfer verfügen. Im Notfall können wir umgehend qualifiziertes Personal in Krisengebiete schicken. Viele Ehrenamtliche gefährden sich dabei selbst. Wir danken allen Einsatzkräften für ihren unermüdlichen Einsatz", so DRK-Kreisgeschäftsführer Sven Knödler. „Wir sind jederzeit bereit, Menschen zu helfen.“
Info:
Sachspenden können derzeit nicht entgegengenommen werden. Das DRK bittet jedoch um Geldspenden, um die betroffenen Menschen unterstützen zu können.
IBAN: DE63370205000005023307
BIC: BFSWDE33XXX
Stichwort: Hochwasser
Ihrem DRK-Ortsverein können Sie als DRK-Fördermitglied finanziell unter die Arme greifen und so auch die Ausbildung der Sanitäterinnen und Sanitäter unterstützen.