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Blick über den Tellerrand: JRK informiert sich über AIDS und sexuell übertragbare Krankheiten

Das Interesse an diesem Thema zeigt, wie vielfältig das DRK ist, macht JRK-Gruppenleiter Niko Mpourgaslis deutlich, als er einleitende Worte spricht. Das JRK hatte Mathias Bolter von der AIDS-/STI-Beratungsstelle des Rems-Murr-Kreises eingeladen, um das HI-Virus, AIDS und sexuell übertragbare Krankheiten zu sprechen – und um zu erfahren, welche Schicksale dahinterstehen. Darum kam Mathias Bolter nicht allein. Petra sitzt neben ihm. Ihr Schicksal bewegt die jungen Menschen. 

Denn sie und der Sozialpädagoge hatten einiges zu erzählen und gaben einen Einblick in Themen, bei denen oft nur an der Oberfläche gekratzt wird. Das machen die jungen Leute vom Jugendrotkreuz nicht. Sie sind offen, interessiert und scheuen sich nicht, intensiv nachzufragen, wenn es um HIV, Drogen, Sucht, AIDS, Prävention und Prostitution geht. Mit Petra haben sie eine Ansprechpartnerin, die tiefe Einblicke in ihr Leben zulässt und klare Botschaften hat.

Die JRK-Mitglieder, die meisten kommen aus Winnenden, haben Ahnung. Auf die Frage, was HIV und was AIDS ist, setzt ein Jugendlicher zu einem kurzen Vortrag an. Kurz gesagt: AIDS ist die mögliche Folge einer Infektion mit HIV, bei der es im Endstadium der HIV-Infektion zur Zerstörung des körpereigenen Immunsystems kommen kann. AIDS bricht aber nur dann aus, wenn HIV nicht behandelt wird, betont Mathias Bolter. Er zeigt sich beeindruckt und erläutert weitere Details über die Krankheit und wie breit der Personenkreis ist, die vom Virus betroffen sind. Auch Petra ist seit 32 Jahren mit HIV infiziert. 

Ein kurzes, stilles Raunen geht durch den Raum, als Petra das offen ausspricht. Gemeinsam mit den Jugendlichen erarbeiten Mathias Bolter und Petra nun, wie Menschen sich mit HIV infizieren können – und wie nicht. „HIV ist eine unsichtbare Krankheit“, sagt der Sozialpädagoge – und diese Diagnose sei kein Todesurteil. Heute gebe es Medikamente. Nun nimmt Petra sie mit in ihre Lebensgeschichte. 

 „Es kam, weil ich dumm war“

1992 erfuhr sie, dass sie HIV-positiv ist. Bei wem sie sich angesteckt hat, weiß sie nicht. Ihr Leben verlief turbulent. Sie erzählt, was sie aus der Bahn geworfen hat und welche Strukturen es gibt, die dazu führen können, dass Menschen drogensüchtig werden können. Mit einem Joint begann ihre Sucht. Später spritzte sie sich täglich Drogen. Die Sucht zu finanzieren, war kostspielig. Stehlen wollte sie nicht. Irgendwann stieg sie zum ersten Mal zu einem Freier ins Auto. Das kostete Überwindung. Um das zu ertragen, nahm sie Drogen. Ein Teufelskreis. „Du hast keine Kontrolle mehr“, sagt Petra. Sie hält sich mit Schuldzuweisungen zurück und sagt offen, dass jeder Mensch für sein Leben Verantwortung trägt. Auch sie. „Es kam, weil ich dumm war“, sagt sie und in den nächsten 90 Minuten macht sich jeder Teilnehmer ein eigenes Bild. Dank Petra ist es sehr differenziert und kommt ohne wertenden Zeigefinger aus. 

Wann ist man süchtig, wird Petra gefragt. Man könne von einer Sucht sprechen, wenn dieser Gedanke nach einer bestimmen Sache jeden Tag da ist, antwortet Petra: Alkohol, Cannabis, Heroin, Spielsucht oder auch das Smartphone. Marihuana sei ihre Einstiegsdroge gewesen. Ihr Umfeld fing sie nicht auf. Es zog sie immer tiefer in die Krise. Sie liefert einen schonungslosen Einblick über die Folgen ihrer Drogensucht. „War es schwer für Dich, von den Drogen wegzukommen?“, fragt jemand. „Mit 23 Jahren fing mein Kopf an zu denken“, sagt sie. Als sie von der schweren Krankheit erfuhr, sagte man ihr, sie hätte noch eine Lebenserwartung von zwei Jahren. Das war hart. Petra war schwanger. Mit Disziplin und Unterstützung schaffte sie den Entzug und brachte ein gesundes Kind zur Welt. „Ich wollte dieses Kind kriegen – und zwar sauber“. Sie schaffte es. 

 „Viele fallen in ein tiefes schwarzes Loch"

In den 2000er Jahren entschied sie sich dazu, Präventionsarbeit zu betreiben. Dabei erlebt sie immer wieder, wie viele Menschen die HIV-Diagnose aus Scham weder Freunden noch der Familie mitteilen, wie sie sich selbst ausschließen und ausgeschlossen werden. Sie spricht über Vorurteile. „Viele fallen in ein tiefes schwarzes Loch. Aber man kann mit HIV alt werden und tolle Sachen machen!“, sagt sie. 

Welche Rolle haben ihre Erziehungsberechtigen gespielt, fragt eine Jugendliche. Petra spricht über einen schwierigen Schulwechsel, die fehlende Unterstützung, die falschen Freunde und fragwürdige Entscheidungen. So sei sie abgerutscht, landete erst in einer Jugendwohngruppe und flüchtete irgendwann nach Amsterdam. Ihr Drogenproblem wurde damals immer schlimmer. Dafür sei sie selbst verantwortlich gewesen, sagt sie. „Ich kann keinem anderen die Schuld dafür geben“, sagt sie.

Wie steht ihr Kind heute zu ihr? „Mein Sohn weiß alles und er geht offen damit um. Es gehört dazu. Das ist mein Leben“, sagt sie und es wird deutlich, dass sie stolz auf ihn ist – und wohl auch auf sich als Mutter. HIV-positiv sei er nicht. 

Danach schließt sich ein theoretischer Teil an. Mathias Bolter zeigt, welche Angebote Präventionsstellen machen, wie und wo man sich testen lassen kann. Er erläutert Krankheitsverläufe und Behandlungsmethoden. Ein Irrglaube sei es, dass HIV gleich Aids bedeutete. Petra bestätigt das. Jeden Tag müsse sie sich an ihre Regeln halten. Sie zeigt, welche Mengen Tabletten sie täglich nehmen muss.  Die Nebenwirkungen müsse man akzeptieren und auch dieses Gefühl, dass man von anderen Menschen als Gefahr wahrgenommen werde – auch wenn sie aufgrund des Krankheitsverlaufs nicht mehr ansteckend sei.

Gefahren bei Erste-Hilfe-Maßnahmen?

Nun kommt die DRK-Gruppe auf Erste Hilfe zu sprechen. Wie sieht es aus, wenn Patienten HIV-positiv sind? Gruppenleiter Niko Mpourgaslis aus Winnenden gibt Einblicke in den Alltag als Rettungssanitäter und nennt auch das Stichwort Hepatitis B. Es bestehe ein geringes theoretisches Risiko, dass HIV übertragen werden könnte, wenn Blut eines HIV-positiven Menschen beispielsweise direkt in das Auge eines Mitarbeiters des Rettungsdienstes tropfe. Darum sei Selbstschutz wichtig: kurze Fingernägel, Handschuhe etc. und natürlich ein Sicherheitskonzept, was auch Tests im Anschluss etc. betrifft. Ein Patient sei nicht dazu verpflichtet, den Helfenden mitzuteilen, dass er infiziert sei, sagt Mathias Bolter – zumal nicht wenige nichts von der Infektion wüssten, weil sie keinen Test gemacht oder die Risiken falsch eingeschätzt haben, so Bolter weiter. Er betont, dass HIV-positive Menschen unter der Nachweisgrenze nicht relevant für das Infektionsgeschehen sind, sondern das Risiko eher von Menschen ausgeht, die nicht um ihre Infektion wissen. Er ordnet ein: Um sich mit HIV zu infizieren, müssen drei zentrale Voraussetzungen erfüllt sein. Diese betreffen die Art des Kontakts, die Eintrittspforte und die Menge des Virus. 

Die Jugendlichen stellen weiterhin Fragen. Mathias Bolter und Petra beantworten sie. Es geht um Kondome, Übertragungsmöglichkeiten etc. Nach zwei Stunden endet ein intensiver Abend. „Ich nehme mit, dass ich niemanden verurteilen sollte“, sagt eine Jugendliche zum Abschluss. 

Infokasten:

So erreichen Sie die HIV-/STI-Beratung des Landratsamtes Rems-Murr-Kreis:

Telefonische Terminvereinbarung bei Melanie Fezer und Mathias Bolter

Telefonnummer: 07151 501-3200  

Faxnummer: 07151 501-1634

Telefonische Erreichbarkeit: Montag bis Mittwoch: 9 bis 16 Uhr, Donnerstag: 9 bis 18 Uhr und Freitag: 9 bis 12 Uhr.

Seit kurzem gibt es die Möglichkeit, Termine direkt online und per QR-Code zu vereinbaren. Besuchen Sie Homepage www.rems-murr-kreis.de. Es gibt die Möglichkeit einer anonymen E-Mai-Beratung.

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