Sanitätsdienstausbildung: Erste Hilfe lebt von Improvisation
Verbrennungen, Kopf- und Bauchverletzungen, Brüche und Kreislaufbeschwerden: Beim Übungstag in Waiblingen hat das DRK 14 Helferinnen und Helfer vor einige Herausforderungen gestellt. Bei verschiedenen Fallbeispielen galt es, ausgebildete Mimen mit geschminkten Verletzungen fachgerecht medizinisch zu versorgen, um das in der Theorie Gelernte in der Praxis anzuwenden. Für die Teilnehmer war es die gelungene Generalprobe vor der Abschlussprüfung der Sanitäter-Ausbildung. Die haben kürzlich alle bestanden.
Sofort in die Stabile Seitenlage
„Wir freuen uns, dass wir 14 neue Sanitäterinnen und Sanitäter ausbilden konnten“, sagt Ralph Maier, Ausbilder beim DRK Rems-Murr. Die „Fachdienstausbildung Sanitätsdienst“ qualifiziert Einsatzkräfte, erste notfallmedizinische Maßnahmen bei Notfällen ergreifen zu können. Der Übungstag war intensiv.
Im Flur stehen zwei junge Helfer. Nebenan liegt ein Mann auf dem Boden. Ausbilderin Beate Wichtler setzt sie ins Bild über das vorliegende Szenario: Bei Gartenarbeiten ist ein Mann von der Leiter gefallen. Los geht´s. Nach Lehrbuch gehen die Sanitäter vor, beobachtet von ihren Kolleginnen und Kollegen. Sie sprechen die Person an, stellen eine Kopfverletzung fest, checken die Atmung und bringen den bewusstlosen Mann zügig in die Stabile Seitenlage. Damit stellen sie sicher, dass die Atemwege freigehalten werden und Erbrochenes oder Blut ablaufen kann. Nach den lebensrettenden Maßnahmen setzen sie den Notruf ab und versorgen den Patienten weiter. Die Ausbilder schauen zu. Die Übung endet mit dem Eintreffen des Rettungsdienstes, den Beate Wichtler mimt. Zeit für das Fazit. Zuerst berichtet der Mime. Der Kopf wurde nicht richtig überstreckt. Es folgt ein fundiertes Feedback der Ausbilder. „Die Bewusstlosigkeit ist in diesem Fall vorrangig vor der leicht blutenden Kopfverletzung zu behandeln“, sagt Beate Wichtler. Es war demnach richtig, den Mann sofort in die Stabile Seitenlage zu bringen.
Atmet die Person? Atmet sie häufig? Atmet sie effektiv?
Bei jedem Fallbeispiel stehen andere Faktoren im Mittelpunkt. Ein Beispiel: Eine Frau wurde von ihrem Pferd getreten. Sie schreit, windet sich. Das Helfer-Team stellt innere Blutungen fest. „Jetzt habt ihr keine Zeit für unwichtige Maßnahmen“, sagt Ralph Maier. Immer geht es darum, dass die angehenden Sanitäter die Notfall-Situation erfassen, beurteilen – auch was ihre eigene Sicherheit angeht – und die angezeigte lebensrettende Sofortmaßnahme durchführen. Rückfragen beantworten die Ausbilder. Wenn nötig, knien sie und zeigen, wie man die Atmung überprüft oder die Pupillen checkt. „Ihr müsst regelmäßig prüfen: Atmet die Person? Atmet sie häufig? Atmet sie effektiv?“
Bei einer Übung vergessen zwei junge Rotkreuzlerinnen den Notruf zu alarmieren. Alles wird im Nachgang besprochen. Lebensrettende Maßnahmen werden vor dem Notruf durchgeführt, sagen die Ausbilder. Im Ernstfall gelte es auch, die eigene Sicherheit im Blick zu haben, beispielsweise bei einem Verkehrsunfall. Die Ausbilder raten, Zeugen zu befragen, um herauszufinden, wie hoch beispielsweise ein Sturz war. Auch können sie Arbeiten delegieren. Passanten könnten einen Notruf absetzen, eine Decke für den Wärmeerhalt organisieren. Es geht weiter. Das Team der Notfalldarstellung hat ganze Arbeit geleistet: Die geschminkten Verbrennungen sehen echt aus. Auch der Mime erzeugt eine Atmosphäre, als wenn die Küche, wo die Übung stattfindet, nach Rauch riechen würde. Nach einem vermeintlichen Grillunfall zittert er, schreit, klagt über Schmerzen und steht sichtlich unter Schock. So werden die angehenden Sanitäter auf die Realität vorbereitet.
Sechs Wochenenden voller Einsatz
Achsengerechtes Drehen des Körpers, Wärmeerhalt, Bodycheck, Blutdruck, Puls, Schocksymptome, das Ertasten von Frakturen und das Erkennen von Inneren Verletzungen: Der Lehrplan ist ausführlich. Wichtig sei es, mit den Menschen zu reden, Ruhe auszustrahlen und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln. Psychische Betreuung und medizinische Versorgungen gehen dabei Hand in Hand. In einem Fallbeispiel werden die Helfer auf die Probe gestellt, dass sie im Notfall auch Gaffer abweisen sollen.
An sechs Wochenenden fand ihre Ausbildung statt. Unzählige Stunden haben die Teilnehmer gemeinsam mit ihren ehrenamtlichen Ausbildern gelernt und geübt. Das hat sich gelohnt. Nach ihrer Prüfung können sie an der Seite von routinierten Helfern weitere praktische Erfahrungen sammeln und als Sanitäter die Bereitschaften ihrer DRK-Ortsvereine verstärken und weitere Aus- und Fortbildungen durchlaufen. Auch dafür kommt das DRK auf. Die Rechnung ist einfach: Je mehr ausgebildete Sanitäter es im Kreis gibt, desto größer ist der Nutzen für die Bevölkerung, wobei das DRK den Menschen weiterhin rät, regelmäßig einen Erste-Hilfe-Kurs zu besuchen. Ralph Maier betont aber, was für Laien als auch ausgebildete Sanitäter gilt: „Erste Hilfe lebt von Improvisation.“