"Löwen retten Leben" - ARD-Team dreht in Waiblingen
Es ist ein trauriger Vorfall, der am Dienstag ein Kamerateam von ARD in die Aula der Staufer-Gemeinschaftsschule in Waiblingen führt: In Hessen ist ein 18-Jähriger nach einem Unfall während des Sportunterrichts schwerbehindert. Ein ARD-Team filmte nun in Waiblingen, wie das Deutsche Rote Kreuz in Baden-Württemberg Lehrer schult und mit einfachen Mitteln Erwachsene und vor allem Schüler zu Rettern macht: Prüfen, rufen, drücken!
Es ist ein trauriger Vorfall, der am Dienstag ein Kamerateam von ARD in die Aula der Staufer-Gemeinschaftsschule in Waiblingen führt: In Hessen ist ein 18-Jähriger nach einem Unfall während des Sportunterrichts schwerbehindert. Die Lehrkraft hatte zwar umgehend einen Notruf abgesetzt, jedoch bis zum Eintreffen der Ärzte nicht reanimiert. Acht Minuten vergingen. Nun macht der Schüler Amtshaftungsansprüche gegen das Land Hessen geltend. Das ARD-Team filmte nun in Waiblingen, wie das Deutsche Rote Kreuz in Baden-Württemberg Lehrer schult und mit einfachen Mitteln Erwachsene und vor allem Schüler zu Rettern macht: Löwen retten Leben! Prüfen, rufen, drücken!
In zwei Stunden zum Lebensretter werden. Klingt ambitioniert. Doch Jovin Bürchner vom DRK-Landesverband Baden-Württemberg e.V. weiß, wie das geht. Der ehemalige Schulleiter hatte zuvor im Rettungsdienst gearbeitet. Das merkt man. Er kann den Stoff vermitteln, kennt sich bestens aus. Nach 90 Minuten knien er rund 25 Lehrkräfte auf dem Boden und drücken auf Übungsmodellen herum. Im Hintergrund trällern die Bee Gees „Stayin' Alive“. Was ist passiert?
Seit rund dreieinhalb Jahren gibt es die Initiative „Löwen retten Leben“ von DRK und dem Land Baden-Württemberg. Die hat zwei Ziele: Wenn draußen einer umgefallen ist, dann sollen sie helfen können, wendet sich Jovin Bürchner an die Lehrer. Die sollen dieses Wissen, wie man Leben retten kann, im Regelunterricht an die Schüler weitergeben.
„Das Schlimmste ist, nach einem Unfall nichts zu tun“, sagt Jovin Bürchner, Koordinator Schularbeit beim Landes-DRK. Der Rettungsdienst im Rems-Murr-Kreis sei verdammt schnell. Doch mit jeder Minute, die ohne Reanimationsversuche vergeht, sinke die Überlebenswahrscheinlichkeit um zehn Prozent. „Nach zehn Minuten ist es aus“, sagt der DRKler drastisch. Das hatte zuvor auch Sven Knödler, Kreisgeschäftsführer des DRK an Rems und Murr, deutlich gemacht. „Sie sind der Schlüssel zum Erfolg!“
Trotz Kamerateams brauche niemand Angst zu haben, witzelt Jovin Bürchner. „Es gibt anrüchigere Dinge als Leben zu retten“. Lacher bei den Lehrern. Stimmt. Und so bricht das Eis schnell. Als ehemaliger Mitarbeiter bei der Luftrettung kennt Jovin Bürchner das Gefühl, wenn sich Patienten nach erfolgreicher Reanimation mit einem Schulterklopfer bei den Helfern bedanken können. Viele überleben. Ohne Folgeschäden! Und weil eben jede Minute zähle, sei die Laienreanimation so enorm wichtig.
2500 Lehrer habe er bereits geschult. Wenn jede Lehrkraft ihr Wissen an zwei Klassen weitergegeben hat, dann laufen 100.000 potentielle Lebensretter auf den Straßen und Schulhöfen im Land herum. „Die Menschen haben nur eine Chance, wenn der etwas macht, der direkt neben einem steht“, wiederholt er. „Und das sind Ihre Schüler!“ Er zeigt einen Film, der erläutert, was es zu machen gilt: Bewusstsein des Patienten prüfen, Atmung prüfen, Notruf absetzen und Herzdruckmassage durchführen – auch bei bewusstlosen Frauen gelte: oberkörperfrei. „Prüfen, rufen, drücken!“, ruft der 51-Jährige.
Diese Botschaft soll bei den Lehrern und vor allem den Schülern ankommen. Wer dies beherzigt, könne mit dieser vereinfachten Wiederbelebung die Überlebenschance bei einem Verletzten nach einem Kreislaufstillstand verdoppeln oder verdreifachen. „Wenn das Herz nicht mehr schlägt, muss ich drauf rumdrücken“, sagt Jovin Bürchner, der seine Botschaft immer wieder mit humorvollen Beispielen unterlegt. Teenager, die morgens nicht aus dem Bett kommen, müsse man nicht reanimieren. Aber wer röchelnd auf dem Boden liegt, brauche dringend Hilfe. Und hier gilt: „Nicht warten, bis irgendjemand kommt!“
Senkrecht über dem Verletzten kniend, müssen sie auf den Brustkorb drücken, relativ mittig und bestenfalls 100 bis 120 Mal pro Minute und rund fünf bis sechs Zentimeter tief, das entspreche einem Tennisball, animiert Jovin die Lehrerinnen und Lehrer. Dann werde das restliche Blut im Körper ins Gehirn gepumpt. Wer kann und will, dürfe natürlich auch Mund-zu-Mund beatmen. Aber das sei, er kennt sich aus, mitunter sehr abschreckend. Doch drücken hilft in den ersten fünf Minuten, nimmt er den Lehrern den Respekt und vielleicht auch die Angst vor der Laienreanimation. „Ich mache keinen Fehler, wenn ich es versuche. Sie zerdrücken den Patienten nicht“, sagt er, „sondern erhalten den Notkreislauf am Leben“.
„Sie müssen keine Angst haben, beklagt zu werden“. Der ARD-Mann bestätigt das. Sie werden nicht beklagt, gegen das Land würden Amtshaftungsansprüche geltend gemacht. Nun holt er die Löwen-retten-Leben-Tasche hervor, mit der man die Reanimation binnen einer Schulstunde üben kann. 15 Masken werden aufgepumpt und dann wird gedrückt. Dazu gehöre ebenfalls, den Schülern zu zeigen, wie sie bestimmt auftretend weitere Helfer zum Reanimieren bringen können. Eine klare Ansage sei hier nötig: Hilf mir! Wer so angesprochen wird, mache mit. Darauf komme es an, bis dann nach rund acht Minuten der Rettungsdienst eintrifft. Und dann dreht Jovin Bürchner die Musik an.
Natürlich könne man auch im Rhythmus von „Atemlos“ oder „Highway to hell“ drücken. Das sei aber vielleicht unpassend, sagt er und lacht. „Stayin' Alive“ mache mehr Sinn. Mehrmals üben die Lehrkräfte an den Modellen, neigen den Kopf der Puppe nach hinten und heben das Kinn an. Das sollen sie in den nächsten Monaten und Jahren mit ihren Schülern ebenfalls einüben, bestenfalls jedes Jahr einmal – und zwar im Regelunterricht, im Bio- oder Sportunterricht, gerne auch in Vertretungsstunden. Bilden Sie ihre Schüler fort, helfen sie Leben zu retten, motiviert Jovin Bürchner die Lehrer: Prüfen, Rufen, Drücken!
Die Übungstasche lässt er den Lehrern da. Wer als junger Mensch helfen will und Spaß daran hat, der könne beim Jugendrotkreuz mitmachen, wirbt er. Das DRK bietet ebenfalls den Schulsanitätsdienst an. Dann verstummt die Musik. Die Übungsmodelle werden verstaut, die Kamera eingepackt. „Ich nehme mit, dass es leicht ist zu helfen“, hält Schulleiterin Eva Neundorfer später fest. „Es braucht nicht viel, um zu helfen“, sagt sie. Und Jovin Bürchner nickt. Prüfen, rufen, drücken – auch ohne Disco-Musik.